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Samstag, 4. Februar 2012

KPD-Prozessakten sollen für 90 Jahre weggeschlossen werden

Was soll weiterhin verschwiegen werden?

Die Akten des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) über seine Beratungen während des Verbotsprozesses gegen die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) sollen erst 90 Jahre nach der Urteilsverkündung der zeithistorischen Forschung zugänglich gemacht werden. Der Prozess hatte auf Antrag der Regierung Adenauer stattgefunden. Die mündliche Verhandlung dauerte vom 23. November 1954 bis zum 14. Juli 1955. Die gerichtliche Entscheidung, das Verbotsurteil, wurde dann aber erst am 17. August 1956 verkündet. Nun wollen der 1. und 2. Senat des BVerfG in der zweiten Septemberhälfte dieses Jahres entscheiden, wann die Akten eingesehen werden können. Über diese Absicht berichtete die FAZ am 28. August dieses Jahres unter der Überschrift: "2046 weiß man alles über die KPD". Im Vorspann des Artikels heißt es kommentierend: "Die Beratung ist geheim und bleibt geheim: Das Bundesverfassungsgericht will seine Akten erst nach 90 Jahren für die Forschung öffnen. Solche Fristen kennt nicht einmal der Vatikan." Eine solche Frist diene auch dem Schutz der Verfahrensbeteiligten. Das kann aber doch nur ein Witz sein. Denn die Urteilsverkündung liegt jetzt schon 54 Jahre zurück. Keiner der am damaligen Verfahren Beteiligten, weder der Richter, der Vertreter der KPD, die Vertreter der Bundesregierung, noch die Anwälte beider Seiten leben noch.  Wenn es um die doch wohl nicht gehen kann, was soll da noch weitere 36 Jahre verschleiert werden? Etwa die Intervention der damaligen Bundesregierung? Es ist daran zu erinnern, dass der Präsident des BVerfG, Dr. Wintrich, im November 1954 Bundeskanzler Adenauer aufsuchte, um "zu klären, ob die Bundesregierung an ihrem Antrag weiterhin festhalte". Diese hielt daran fest. Es dauerte dann noch mehr als ein Jahr, bis das Urteil gesprochen wurde. Dem aber war massiver Druck seitens der Bundesregierung auf den 1. Senat des BVerfG vorausgegangen. Eine Bundestagsmehrheit beschloss mit einer Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes die Senatszuständigkeit für Parteiprozesse vom 1. auf den 2. Senat zu verlegen. Das sollte am 1. September 1956 in Kraft treten. Das kam einer Abmahnung des 1. Senats gleich. Am 17. August verkündete der Senat seinen Urteilsspruch. Während des Prozesses war bereits bekannt geworden, dass Verfassungsrichter Stein Geheimakten angelegt hatte, gegen die die Prozessvertretung der KPD Protest einlegte. Außerdem wurden Zeugen vernommen, ohne die KPD-Vertreter davon im Voraus in Kenntnis zu setzen, so dass diese bei den Zeugenaussagen nicht anwesend sein konnten. Im August 2010 erhielt die "Initiativgruppe für die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges" (IROKK) ein Schreiben des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages, in dem mitgeteilt wurde, der Bundestag habe auf Vorschlag des Petitionsausschusses das Verfahren zur Rehabilitierung der Opfer des kalten Krieges beendet, d. h. abgelehnt. Ebenso wie bei den vorhergehenden Ablehnungen seit der 13. Wahlperiode habe "keine Veranlassung bestand(en), gesetzgeberisch tätig zu werden.(...) Der Petitionsausschuss vermag keinen Grund zu erkennen, das mit der Petition vorgetragene Anliegen zu unterstützen." Im Anhang stützt sich der Petitionsausschuss auf den Verfassungsschutzbericht 34/06, in dem von "vermeintlichen" Opfern des kalten Krieges gesprochen wurde. Der Auszug aus dem VS-Bericht endet mit der Behauptung: "Mit der Kampagne zur Aufhebung des KPD-Verbotsurteils" - hier knüpfte man an die Aktivitäten zum 50. Jahrestag des KPD-Verbots, insbesondere an die Veranstaltung des Parteivorstandes der DKP im Theater in Berlin-Karlshorst am August 2006 an) - "sollen die KPD-Funktionäre der 50er Jahre zu politisch Verfolgten stilisiert werden; nicht zuletzt um das sozialistische Regime der DDR mit der Bundesrepublik auf eine Stufe zu stellen." Hier argumentiert der VS-Bericht mit Lügen und Unterstellungen. Denn unsere IROKK bildeten wir bereits im November 1988, und wandten uns mit einem Schreiben vom 3. 1. 1989 an Kanzler Kohl, von dem wir aber nie eine Antwort erhalten haben. Der Petitionsausschuss des Bundestages ließ sich also nicht von historischer Wahrheit leiten, sondern von Verleumdungen und Unterstellungen. Die Absicht des BVerfG, die bisher nicht veröffentlichten Beratungsakten aus dem KPD-Verbotsprozess noch weitere 36 Jahre unter den Teppich zu fegen, wirft aus meiner Erfahrung mit dem Umgang der Herrschenden und Regierenden mit der Politischen Justiz der Ära Adenauer die Frage auf, was denn da weiterhin geheimgehalten werden soll? Selbst in den USA sind die Akten der McCarthy-Justiz längst veröffentlicht. Will das BVerfG den CIA überrunden? Der Rummel um den bevorstehenden 20. Jahrestag des Anschlusses der DDR an die BRD kann anscheinend die Wahrheit nicht vertragen. Wir Kommunisten und unsere Partner im Kampf gegen das KPD-Verbot waren schon immer der Meinung, dass das Verbot undemokratisch zustande gekommen ist. Wird die Aufdeckung der Wahrheit den Beweis erbringen, dass die massenhafte politische Verfolgung von Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschaftern, Liberalen, Christen und Parteilosen, die sich nach dem KPD-Verbot zu einem zehntausendfachem Unrecht auswuchs, "unrechtsstaatlich" zuwege gebracht wurde? Jetzt erst recht bleibt der Kampf um die Aufhebung der Verbote der KPD und der FDJ West, sowie um die Rehabilitierung der Opfer dieser politischen Justiz und ihre Gleichbehandlung gemäß Artikel 3 des Grundgesetzes eine aktuelle Aufgabe.

Karl Stiffel

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