Dieses Blog durchsuchen

Montag, 24. September 2012

Gerhard Bialas - 60 Jahre vom Verfassungsschutz überwacht


Gerhard_Bialas24.09.2012: Landauf, landab wird in diesem Jahr 60 Jahre Baden Württemberg gefeiert. Und in der Tat durch die Hände Arbeit und den Geist von Millionen arbeitenden Menschen wurde vieles erreicht. So wurde Baden Württemberg zu einem der reichsten Regionen in Europa. Die Kehrseite davon. 60 Jahre Baden Württemberg sind auch 60 Jahre Überwachung der kommunistischen Partei, 40 Jahre Berufsverbote und mehr als 60 Jahre Überwachung des Kommunisten Gerhard Bialas, der über 30 Jahre dem Gemeinderat von Tübingen und über 20 Jahre dem Kreistag angehörte. Und die Bespitzelung geht auch unter der grün-roten Landesregierung weiter.
Eine unrühmliche fast unglaubliche Geschichte, die nur begreift wer hinter das System des Kapitalismus, seiner Machenschaften und seiner geschaffenen Macht- und Überwachungsorgane blickt und diese durchschaut. Gerhard Bialas war von 1975 bis 1994 Stadt– und Kreisrat der DKP. Danach als Kommunist für die Tübinger Linke  (TÜL) und für das Wahlbündnis TÜL/PDS bis 2005 im Gemeinderat  und im Kreistag. Er war darüber hinaus bis zu seiner Rente 27 Jahre als Gärtnermeister im botanischen Garten der Universität Tübingen beschäftigt. Viele Jahre gewählter Vertreter der Uni-Beschäftigten im Senat, im Großen Senat und im Personalrat.
Gerhard Bialas zog sich 2005 nach 30 Jahren mit 75 Jahren aus Altersgründen von der gemeinderätlichen Parlamentsarbeit zurück. Nicht aber von der Politik. Nicht von der Arbeit als überzeugter Kommunist und konsequenter Vertreter der Interessen der Tübinger Bevölkerung und der kleinen Leute. Bei Aktionen, in Bürgerinitiativen, Demonstrationen durch Leserbriefe steckt er mit seinen heute 81 Jahren noch immer „den Finger in die Wunde.“ Oder wie er bei seinem damaligen Ausscheiden formulierte „ich werde weitermachen und „manchen weiterhin auf den Wecker gehen, bis es bei ihnen klingelt.“
Für seinen langen ehrenamtlichen Einsatz bekam Gerhard Bialas im Jahr 2002 das Verdienstabzeichen in Silber und 2005 in Gold des Städtetags von Baden Württemberg. Der  Präsident des Städtetages, der Bruchsaler OB Doll (CDU) und dessen Tübinger SPD-Amtskollegin Brigitte Russ-Scherer appellierten an den damaligen Ministerpräsidenten Teufel die Überwachung von Gerhard Bialas zu überdenken, da sich Bialas „stets auf dem Boden des Grundgesetzes, der Landesverfassung und der Gemeindeordnung Baden Württemberg bewegt“ habe. Darüber hinaus erhielt Gerhard Bialas im Jahr 2004 vom Landkreistag Baden Württemberg die Landkreismedaille verliehen und 1993 eine Urkunde, in der die CDU Landesregierung ihm für die „treu geleistete Arbeit Dank und Anerkennung“ ausspricht. Kein Wort also, dass Bialas ein „Verfassungsfeind“ sei, sondern er auf dem Boden des Grundgesetzes und der Landesverfassung agiert, handelt und diese umsetzt. Mehr noch: Gerhard Bialas hat diese gegen alle antidemokratischen Angriffe offensiv verteidigt.
Doch all dieses Lob nutzt ihm nichts. Seiner mehrfach erhobenen Forderung die diskriminierenden Tätigkeiten des Verfassungsschutzes gegen sich und seine Partei die DKP einzustellen, kamen die früheren Landesregierungen der CDU nicht nach. Überwachung und Bespitzelungen gingen und gehen munter weiter. War das von den ehemaligen Nazigrößen und Ministerpräsidenten unseres Landes wie Kurt Georg Kiesinger oder dem fürchterlichen Nazijuristen Hans Filbinger oder ihren Nachfolgern. Sie alle waren auf dem rechten Auge blind. Sie alle hofierten die Rechten und kriminalisierten die Linken.
Durch den Druck einer breiten demokratischen Öffentlichkeit wurde die 57 Jahre anhaltende CDU Herrschaft in Baden Württemberg beendet. Doch nicht nur bei „Stuttgart 21“ macht sich die Koalition von Grünen und SPD, von Kretschmann und Schmid zum Vollstrecker dessen, woran u.a. Mappus scheiterte. Auch was die Bespitzelung und Überwachung von KommunistInnen und DemokratInnen anbelangt macht diese Regierung munter weiter. Es gibt keine Neubewertung der Verfassungsschutz-Überwachung. Auch nicht nach all den systemischen Verfilzungen und Verflechtungen staatlicher Behörden im Zusammenhang mit der Blutspur die die NSU durch die Bundesrepublik zog.

Bialas weiterhin im Visier des „Verfassungsschutzes“
Bialas_Brief_300112Empört darüber wandte sich Gerhard Bialas „nach 40 Jahren Radikalenerlaß“ am 30. Januar, dem 79. Jahrestages der Machtübertragung auf Hitler,  an den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), mit der Aufforderung, die diskriminierenden Tätigkeiten, Bespitzelung und Überwachung gegen seine Person zu beenden (siehe Anhang). In seinem Schreiben formuliert er u.a.
Er sei nun „80 Jahre alt, davon 60 Jahre bespitzelt, obwohl ich nie straffällig wurde. Der Grund bestehe lediglich darin, dass ich Mitglied der DKP bin.“ Mit seiner Forderung  verbindet Gerhard Bialas die Hoffnung an den Ministerpräsidenten  „nicht … einfach alte Antworten zu geben. Mit dem Ablösen der schwarz-gelben Landesregierung sollte sich auch hier einiges zur Stärkung der Demokratie ändern.“
Doch weit gefehlt: Die neue Landesregierung hat keine neuen Antworten und so bleibt es bei den alten. Es ähneln sich die Antworten an Gerhard Bialas zu seiner weiteren Bespitzelung und Überwachung vor 10 Jahren aus dem Ministerium von Erwin Teufel (CDU)  mit denen aus dem Staatsministerium von Kretschmann heute. Allerdings ein Unterschied gibt es. Gerhard Bialas ist mittlerweile 80 Jahre alt. Und so schreibt die Landesregierung. „Auch der Verweis auf ihr hohes Alter vermag die Beendigung der Beobachtung nicht zu begründen. Entscheidend ist vielmehr, ob Ihrerseits eine aktive Betätigung für verfassungsfeindliche Bestrebungen unterbleibt. Dies ist nicht der Fall. … Ihr Alter findet insofern Berücksichtigung, als das Landesamt für Verfassungsschutz verpflichtet ist, bei Personen über 70 Jahren in kürzeren Abständen als bei jüngeren Personen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Beobachtung weiter vorliegen.“
Die Antwort der Landesregierung auf seine Forderung ahnend, formulierte Gerhard in seinem Brief an Kretschmann weiter:  Es ist eine „unglaubliche Anmaßung mir Verfassungsfeindlichkeit zu unterstellen.“ Er habe „ein großes Unbehagen angesichts der Vorkommnisse um V-Leute aus dem Nazispektrum, dass ich als Antifaschist möglicherweise von Leuten bespitzelt und bedroht werde, die zu denen gehören könnten.“ Seine Konsequenz und Forderung daraus an die Landesregierung, sie „solle den „Verfassungsschutz“ auflösen, (der Bund auch) um damit die verfassungsgemäßen Rechte der BürgerInnen zu schützen.“
Anstatt die enormen finanziellen Mittel der Bespitzelung gegen „ihn und andere Linke zu verplempern“ fordert er „diesen Unsinn einzustellen“ und diese Mittel für sinnvolle Aufgaben zu verwenden.
Was die Landesregierung von ihm will, spricht Gerhard ganz offen aus. „Sie wollen, dass ich aus der DKP austrete. Doch den Gefallen werde ich ihnen nicht tun“ sagt er  stolz, selbstbewusst, überzeugend und trotzig „Meine Mitgliedschaft in der DKP endet frühestens mit meinem Tod.“

Text: Dieter Keller

Kommunisten.de 

Donnerstag, 20. September 2012

Erklärung vor dem Göttinger Amtsgericht

Wir dokumentieren hier die Erklärung des jungen Genossen vor dem Göttinger Amtsgericht:
 
"Heute stehe ich vor dem Amtsgericht als Angeklagter. Nicht weil ich etwas verbrochen habe, sondern weil ich als kommunistischer Demokrat aktiv bin.
Staatliche Repression ist in meiner Familie nichts Neues. Ich bin Kommunist in dritter Generation. Bereits mein Großvater wurde vom Geheimdienst des ägyptischen Präsidenten Gamel Abdel Nasser verhaftet und gefoltert. Er verlor zudem seine Lizenz als Rechtsanwalt zu arbeiten, weil er ein Aktivist der Kommunistischen Partei und Verteidiger der Sache der Arbeiter war.
Mein Vater musste mehrmals sein Studium abbrechen und erhielt in allen arabischen Staaten Einreiseverbot. Er wurde im Irak unter Saddam Hussein verhaftet, zum Tode verurteilt und gefoltert. Durch Gefangenenaustausch kam er schließlich frei, um dann vom syrischen Regime unter Hafiz Al-Assad (dem Vater des heutigen syrischen Präsidenten) verhaftet und gefoltert zu werden.
Selbst ich wurde mit dreizehn Jahren vom syrischen Geheimdienst für Nationale Angelegenheiten verhört. Ich musste mit meinen Eltern Syrien verlassen, weil meine Eltern sich für die Freilassung politischer Gefangener und für die Belebung der syrischen Zivilgesellschaft eingesetzt hatten. 2002 kamen wir in die Bundesrepublik Deutschland, wo wir Asyl beantragten. Daraufhin mussten wir sechs Jahre in einem Isolationslager im Thüringer Wald vegetieren. Aber wir blieben erhobenen Hauptes im Kampf gegen das Isolationsregime und die Apartheid-Gesetze der Bundesrepublik Deutschland, namentlich die Residenzpflicht. In diesen sechs Jahren haben wir den Rassismus in diesem Land kennengelernt. Keine Rechte zu besitzen, die ständige Angst vor Erniedrigung durch Polizisten zu erfahren, weil man sein Menschenrecht auf Bewegung und politische Aktivität wahrgenommen hat. In ständiger Angst vor nächtlicher Abschiebung durch vermummte Polizisten, die uns damit in Folter und Tod geschickt hätten. Die Erniedrigung wegen des deutschen sogenannten „Gutscheinsystems“ im Supermarkt jedesmal als Asylant gebrandmarkt zu werden. Durch Androhung der Ausländerbehörde von der Schule verwiesen zu werden und der Willkür, als von dort mein Antrag auf ein Studium untersagt wurde, obwohl damals die Universität Jena keinerlei Einwände gegen meinen Studienbeginn hatte. Dieses Leben, sechs Jahre lang, hat mich und meine Eltern geprägt. Wir haben den Kampf dagegen stets geführt. Gemeinsam mit Freunden von The Voice Refugee Forum und von der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten standen wir fest für die Menschenwürde in diesem Land.
Ich erzähle diese Geschichte unserer syrischen kommunistischen Familie mit ihren zwei Perspektiven, einmal in ihrer Heimat und einmal in ihrem Exil. Und wenn ich gegen Schünemann, Kruse und Co. protestiere, dann sollen sie wissen, dass hier ein Betroffener dieser Politik vor ihnen steht. Ich und meine Familie kennen die Geheimdienste, die Polizei und den institutionellen Rassismus aufgrund eigener Erfahrung. Ich bin in diesem Sinne ein Überzeugter, aber kein Täter.
Und erneut steht ein Kommunist vor einem deutschen Gericht. Das hat Tradition in Deutschland. Vom Kommunistenprozess in Köln vor zwei Jahrhunderten hin zur Verfolgung der politischen Führung des sozialistischen Deutschlands, der Deutschen Demokratischen Republik. Immer handelt es sich dabei um politische Schauprozesse. Es soll an Einzelnen ein Exempel statuiert werden, um eine ganze Bewegung zu delegitimieren. Ankläger werden dabei zu Angeklagten, Angeklagte werden zu Anklägern. Angeklagt gehört hätten heute vor diesem Gericht allerdings zwei andere Männer:
Zum einen der zweifache Gewinner des Titels „Abschiebeminister des Jahres“ und zweifache Träger des Big Brother Awards, Herr Uwe Schünemann, Innenminister des Landes Niedersachsen. Zum anderen sein ehemaliger stellvertretender Inlandsgeheimdienstchef Herr Robert Kruse, derzeitiger Polizeichef Göttingens.
Die Anklageschrift würde wie folgt lauten: Der Herr Innenminister ist politisch verantwortlich für den Tod des Flüchtlings Shambu Lama aus Meinersen, der durch das widerrechtliche Handeln der dem Innenminister unterstehenden Ausländerbehörde Gifhorn in den „Freitod“ getrieben wurde. Shambu Lama wollte mit seinem Sohn zusammenziehen, um gemeinsam mit ihm zu leben, doch die Ausländerbehörde verweigerte ihm seinen Wunsch und drohte mit Abschiebung. Shambu Lama sprang daraufhin aus Verzweiflung vor einen Zug und starb.
Herr Schünemann ist auch für die Abschiebung von schwangeren Frauen verantwortlich. Unter anderem die Abschiebung der im vierten Monat schwangeren Syrerin Abta Houran am 7. Juli 2009. Sie wurde nach ihrer Ankunft in Syrien umgehend von syrischen Behörden festgenommen. Der wohl noch bekanntere Fall ist der der libanesischen Frau Gazale Salame. Sie wurde von ihrem Ehemann und ihren Kindern durch deutsche Polizei getrennt und trotz ihrer Schwangerschaft abgeschoben, und zwar in das ihr völlig fremde Land Türkei. Die Abschiebung von Frau Salame fand auf persönliches Drängen des Innenministers statt. Die Liste von schändlichen Abschiebungen ließe sich noch ergänzen. Der Innenminister soll die Ausländerbehörden sogar zu noch rigoroserem Verhalten angespornt haben, so viele Medienberichte.
Der Innenminister veranlasste im Jahr 2003 auch den ersten Einsatz von Überwachungsdrohnen bei Anti-Castor-Protesten und ist Betreiber und Befürworter massiver Einschränkungen der demokratischen Rechte, so u.a. des Versammlungsgesetzes. Er steht auch für präventive Überwachung von Email-Verkehr und Telefongesprächen.
Herr Uwe Schünemann ist damit natürlich nicht als Person gemeint, sondern als Stellvertreter eines institutionellen Rassismus in krassester Form: nämlich Abschiebung, Ausgrenzung, Isolation und Menschenverachtung. Er steht ebenfalls stellvertretend für eine Reihe antidemokratischer Gesetzgebungen im Bereich des Ausbaus der Geheimdienste, der Einschränkung des Versammlungsgesetzes und diversen politischen Angriffen auf Demokraten, Antifaschisten und Kommunisten.
Auf der anderen Seite steht Herr Robert Kruse als ehemaliger stellvertretender Leiter des niedersächsischen Inlandsgeheimdiensts, dem sogenannten Verfassungsschutz, nun als derzeitiger Chef der Göttinger Polizei. Zuallererst überkommt einen dabei das Befremden und Fremdschämen gegenüber dem Land Niedersachsen, eine solche Personalentscheidung getroffen zu haben, die ein Angriff ist auf den Geist des Grundgesetzes und die von Mitgliedern der Anti-Hitler-Koalition beschlossenen Potsdamer Abkommen, in denen eine Verschmelzung von Geheimdienst und Polizei strikt untersagt wird. Das ist ein Schritt zur Abschaffung der bürgerlichen Demokratie von rechts, indem man den stellvertretenden Geheimdienstchef zum Polizeichef beruft und den Polizeichef zum Geheimdienstchef – eine personelle Verschmelzung, die Besorgnis bei jedem Demokraten und Antifaschisten hervorrufen sollte.
Herr Robert Kruse ist damit natürlich auch nicht als Person gemeint, sondern als Stellvertreter für die polizeilichen widerrechtlichen Maßnahmen gegen Abschiebegegner und Antifaschisten im Rahmen des sogenannten „Tee-Küchen-Vorfalls“, für die Verfolgung eines jungen Mannes, der wochenlang untertauchen und dann unrechtmäßig seine DNA abgeben musste. Herr Kruse steht stellvertretend für die Überwachung von demokratischen und antifaschistischen Organisationen wie der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) oder Einzelpersonen wie dem Göttinger Journalisten Kai Budler durch den Inlandsgeheimdienst und für die Überwachung der Kommunisten, die letztendlichen Kämpfer für Menschenrechte.
Beide, Herr Schünemann und Herr Kruse, waren im Januar diesen Jahres vom rechten Studierendenverband der CDU in die Universität eingeladen worden. Ihnen stellten sich mehrere hundert Demokraten, Antifaschisten und Kommunisten friedlich in dem Weg. Die Polizei aber prügelte trotz reibungslosen Ablaufes der Veranstaltung in die Menge.
Daher kurz noch zur Polizei, obwohl sie kein direkter politischer Gegner ist. Der Göttinger Polizei geht es heute mit diesem Prozess darum, ihr Gesicht zu bewahren, nachdem sie an jenem Januartag in bürgerlichen Medien wie dem NDR als Prügelpolizei dargestellt wurde. Es geht um Nachlieferung einer Begründung für ihre brutale Gewaltorgie gegen demokratische und antifaschistische Studierende wie mich. Ein Zitat eines Ihrer Kollegen, Richter Steinhof aus Dessau, zum Verhalten der gesamten Polizei Dessau im Rahmen der Gerichtsverhandlung um den Mord an dem Flüchtling Oury Jalloh spricht, meine ich, Bände über den Geist der deutschen Polizei:
„Was hier geboten wurde, war kein Rechtsstaat, und Polizeibeamte, die in besonderem Maße dem Rechtsstaat verpflichtet waren, haben eine Aufklärung verunmöglicht.“
Es ist kein Geheimnis, dass in der Polizei ein sogenannter Korps-Geist vorherrscht, in der immer mehr prügelnde Polizisten sich gegenseitig durch Absprachen vor strafrechtlicher Verfolgung – wie der Fall Oury Jalloh zeigt – schützen. Polizisten sind Instrumente des bürgerlichen Staates um die demokratische und fortschrittliche Bewegung zu unterdrücken. Sie werden häufig vor Einsätzen politisch gedrillt. Gedrillt gegen uns, jene Demokraten, die gegen Rassismus, Sozial- und Demokratieabbau vorgehen. Max Reimann, Vorsitzender der verbotenen KPD, sagte zur Verabschiedung des Grundgesetzes 1949: „Wir unterschreiben nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben!“
Die Verteidigung der bürgerlichen Demokratie gegen ihre Feinde von rechts und gegen die politische Elite dieses Landes ist eine Linie der Kommunisten, die trotz KPD-Verbot und Berufsverbote nicht geändert wurde. Wenn Sie mich heute verurteilen, dann ist es nicht nur meine Person, die sie aburteilen, sondern die demokratische und antifaschistische Bewegung. Eine demokratische und antifaschistische Bewegung, welche gegen die rechten Feinde der Demokratie protestiert hat, die protestiert hat gegen Abschiebeminister Schünemann und Ex-Geheimdienst-Chef Kruse. Es wäre ein Urteil gegen die demokratischen und antifaschistischen Kräfte, gegen die Demokratie."

Quelle: SDAJ Göttingen

Freispruch! - Politischer Prozeß in Göttingen

Am 10.01.2012 organisierte der konservative Studierendenverband Ring Christlicher Studenten (RCDS) im Zentralen Hörsaalgebäude der Universität eine Veranstaltung mit Innenminister Uwe Schünemann (CDU) und dem Göttinger Polizeipräsidenten Robert Kruse unter dem Titel „Sicherheitspolitik in Niedersachsen und Göttingen im Speziellen“. Der CDU-nahe Studierendenverband wollte sich mit dieser provokativen Veranstaltung in der Endphase des Uni-Wahlkampfes ins Gespräch bringen und Stimmung gegen linke Politik machen. Ein breites Bündnis aus AStA, Fachschaften und Basisgruppen, studentischen Hochschulgruppen sowie antifaschistischen und antirassistischen Initiativen mobilisierte zu Gegenprotesten, um gemeinsam ein Zeichen gegen die Law-and-Order-Politik des niedersächsischen Abschiebe- und Innenministers zu setzen. Mittels einer symbolischen Menschenblockade vor dem Eingang der RCDS-Veranstaltung wurde gegen die von Schünemann und Kruse betriebene reaktionäre Politik protestiert.
All dies war den beiden Herren offenbar ein Dorn im Auge, so dass sie ein größeres Polizeiaufgebot gegen die Protestversammlung in Stellung brachten. Zum Einsatz kam dabei auch die seit Anfang 2012 in Göttingen stationierte Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE), die mittlerweile für ihr unverhältnismäßiges und brutales Vorgehen bekannt ist. Wie u.a. in einem Fernsehbeitrag des NDR über den Polizeieinsatz zu sehen war, stürmte diese geschlossene Polizeieinheit ohne äußeren Anlass in die vor dem Hörsaal friedlich versammelte Menschenmenge und traktierte die Anwesenden mit Knüppeln, Faustschlägen und Tritten. Hierbei erlitten mehrere Demonstrierende Verletzungen. Sämtliche vor dem Hörsaal befindlichen Personen wurden unter polizeilichem Gewalteinsatz aus dem Uni-Gebäude getrieben. Die losgelassene BFE-Einheit setzte somit das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit faktisch außer Kraft.
Bei der Abfahrt des Ministers im Dienstfahrzeug kam es auf dem Uni-Campus erneut zu unverhältnismäßigen Polizeieinsätzen gegen spontane Sitzblockaden. Personen, die sich vor dem Fahrzeugkonvoi auf die Straße setzten, wurden dabei mit unverhältnismäßiger Polizeigewalt entfernt. Insgesamt sind mehrere Strafverfahren gegen Demonstrierende eingeleitet worden. Einige vom Polizeieinsatz Betroffene haben ihrerseits Anzeigen gegen Polizeibeamte gestellt.
Während einer Demonstration am 10. März 2012 in der Göttinger Innenstadt anlässlich des Internationalen Frauenkampftags wurde ein Göttinger Antifaschist von der Polizei angehalten, seine Personalien wurden festgestellt und ihm wurde eröffnet, dass ein Verfahren anlässlich des Schünemannbesuchs vom 10.01.2012 gegen ihn laufe. Konkret lautet der Vorwurf auf Widerstand gegen die Polizei sowie Körperverletzung an einem Polizisten. Im Juli 2012 wurde ihm ein Strafbefehl über 50 Tagessätze á 15 EUR (also insg. 750 EUR) zugestellt, gegen den er Widerspruch eingelegt hat.
 
Am Donnerstag, dem 20.09.2012 fand nun der Prozess gegen den Antifaschisten vor dem Amtsgericht Göttingen statt. Er endete mit einem Freispruch in allen Punkten der Anklage.

Quelle: SDAJ Göttingen